Sie hat mir oft von ihrer Tante in der Schweiz erzählt, die sie so gern besuchte, weil ihr deren Lebensart gefiel.
Sie (die Tante) war eine ehemalige Juristin, die sich von der Familie fern hielt und es stets vermieden hatte, sich länger an einen Mann zu binden, weil ihr das, was man gemeinhin als Familienleben ansieht, nicht zusagte. Insbesondere wollte sie - außer für Feste - nicht kochen. Gäste hatte sie gerne und auch die Kinder der entfernten Verwandtschaft durften sie besuchen. Sie ging dann mit ihnen essen oder sie reicherte ihre gewohnten Apéros etwas an. Sie selbst ernährte sich nahezu ausschließlich von diesen Kleinigkeiten: Oliven, Pecorino, Nüsse und Früchte aller Art. Auch hatte sie stets Kekse vorrätig und Getränke, wie Sekt, Grapefruitsaft, Gin und Rotwein, die sie auch den Minderjährigen nicht verweigerte, schon gar nicht an den Abenden, die philosophierend oder spielend am Kamin oder auf der Terrasse verbracht wurden, sofern man nicht ins Theater ging. Sie war auch im Alter sehr schlank, blieb im Geist beweglich und lebte allein, aber nicht einsam in ihrer hundert Jahre alten Villa am See.
Als sie starb, war es Ostern. Die Nichte, von der ich oben schrieb, war am Vorabend angekommen. Ohne die Langschläferin zu wecken, fuhr sie samstags einkaufen und wunderte sich, dass die Fensterläden bei ihrer Rückkehr noch immer geschlossen waren.